Wie bekommt man es hin, sich nicht zu entzweien? Die Werte der Haller Löwenbrauerei tragen alle Gesellschafter seit vielen Jahren mit. Notfalls auch zu ihrem persönlichen Nachteil.
„Die Brauerei war immer Thema in der Familie. Aber als ich selbst Gesellschafter wurde, wollte ich mehr wissen“, sagt einer der 23 Gesellschafter der Löwenbrauerei Hall, Dr. Axel Röhm. Er ist Physiker, Bier-Sommelier und lebt bereits mehr als die Hälfte seines Lebens mit seiner Familie in den Niederlanden. Ende Juni 2024 ist er, wie alle anderen Familienmitglieder auch, zum traditionellen Gesellschaftertreffen und zum 300jährigen Jubiläum der Brauerei nach Schwäbisch Hall gekommen.
Sicherung der Zukunft. Dieser regelmäßige Austausch, die Treffen und die Gesellschafterversammlungen sichern den Zusammenhalt der Eigentümerfamilie – immer wieder und ganz besonders zum Wohle der Firma, wie sie selbst sagen. Daran halten sie fest, wie an der Werten als regionale Brauer – Fairness, Qualität und Verantwortung – auch. Der Geschäftsführer in fünfter Generation, Peter Theilacker, versichert eindrucksvoll, dass das Interesse am Bier, an der Brauerei, an der Stadt und der Region bei allen 23 Gesellschaftern und bei ihren Familien ganz oben stehen. Er betont, dass sie sich darauf eingeschworen haben und dies auch regelmäßig erneuern. Ende Juni sind rund 60 direkte Nachkommen der Gründer Pauline und Friedrich Erhard vor Ort, um das Firmenjubiläum gebührend zu feiern. Sie kommen zum Beispiel aus Stuttgart, Konstanz, Kiel, Frankfurt und Berlin und entstammen alle den noch verbliebenen fünf Stämmen der zehn Kinder des Haller Paares. Dieses hatte1876 geheiratet und im Gebäude des heutigen ‚Gasthaus zum Löwen‘ in der Mauerstraße in Schwäbisch Hall gelebt und gebraut. Die anderen fünf Familienzweige hatten keine Kinder oder sind verstorben. Pauline war Tochter eines Brauers und Friedrich stieg erfolgreich mit ihr sowohl ins Eheleben als auch ins Geschäft ein.
Die Firma kommt vor den Interessen der Eigentümerfamilien. Die Familie der Gründer spricht heute von einem ‚emotionalen Kitt und von formalen Regeln‘. Beides schafft Vertrauen und verbindet sie miteinander. „Unter den 23 Gesellschaftern haben wir ein starkes WIR-Gefühl. Wir haben einen relativ strengen und präventiven Gesellschaftervertrag zugunsten des Unternehmens. Für anständige Leute ohne Flausen ist das kein Problem“, schmunzelt Peter Theilacker. Er erklärt, dass es natürlich auch schon mal Ärger gegeben hat, was aber über ebendiesen Vertrag gut geregelt werden konnte, um die Firma zu schützen.
Es ist eben Familie, die sucht man sich nicht aus, die hat man. „Hier sind heute drei Generationen zusammen. Das ist schon ein enger Zusammenhalt“, sagt Geschäftsführer Hans Firnkorn stolz. „Als ich hier aktiv wurde, war ich der Jüngste. Heute bin ich der Drittälteste – von oben“, ergänzt er rückblickend. Die ganz jungen Familienmitglieder spielen auf dem Weg zum Jubiläumsausflug in die Region rund um Schwäbisch Hall vertraut miteinander. Sind sie älter, werden sie relativ früh eingebunden und Stück für Stück an die Brauerei herangeführt, über solche Treffen und zum Beispiel auch über Praktika. Peter Theilacker hat selbst Kinder und empfindet es als Vorteil, das Unternehmen bereits in der fünften Generation zu führen: „Wir bauen auf dem auf, was mehrere Generationen vor uns gelebt und geschaffen haben. Das macht es vermutlich leichter, als wenn man ein Unternehmen erst in zweiter Generation führt.“ Danach gefragt, wo seiner Meinung nach der Unterschied zwischen der Führung eines Familienunternehmens und einem angestellten Manager ist, wird es emotional: „Meiner Ansicht nach menschelt es in einem Familienunternehmen sehr. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn es nicht passt, ist es ein Alptraum. Wenn es passt, gehört es zum zuhause. Ich bin davon überzeugt, das ist ein anderer Horizont. Es geht in erster Linie nicht darum, meine Karriere zu planen und zu verfolgen. Es geht darum, die Haller Löwenbrauerei erfolgreich zu führen und zu erhalten. Denn, ich würde alles verlieren: Meine Arbeit, mein Eigentum und meine Familie. Mein Ziel ist deshalb die propere Übergabe an die nächste Generation unserer Brauerei. Und dies mindestens so sauber, wie ich es übernommen habe.“